Peter Dettweiler hat sich im Kampf gegen die verheerende Volksseuche Tuberkulose große Verdienste erworben. Als Leiter der Lungenheilanstalt Falkenstein im Taunus führte er die Freiluftliegekur ein und erlangte weltweite Anerkennung. Neue hygienische Maßstäbe setzte Dettweiler mit der Taschenspuckflasche, die als Blauer Heinrich bekannt wurde.
Auf Grund eines Blutsturzes suchte Peter Dettweiler, der bereits seit seiner Studienzeit an einer Lungenerkrankung litt, 1868 die Heilanstalt in Görbersdorf/Schlesien auf, die von dem Arzt Dr. Hermann Brehmer geleitet wurde. Nach seiner Genesung folgte Dettweiler 1869 dem Angebot Brehmers und blieb als dessen Assistenzarzt in Görbersdorf. Dort lernte der junge Arzt Brehmers bahnbrechende Maßnahmen in der Schwindsuchtbehandlung kennen.
Die Anschauungen des Begründers des Lungenheilstättenwesens waren lange umstritten. Es kam zum Bruch zwischen Brehmer und seinem Schüler. Dettweiler verließ Görbersdorf.
Frankfurter Ärzte, die sich mit der Behandlung der damals weit verbreiteten Lungentuberkulose beschäftigten, eröffneten 1875 die Heilanstalt Falkenstein im Taunus. Nachdem der leitende Arzt 1876 selbst an Tuberkulose verstorben war, wurde die Leitung Dr. Peter Dettweiler übertragen.
Das in 400 m Höhe am Südhang des Taunus gelegene Sanatorium bestand aus einem Hauptgebäude, zwei Seitenflügeln und zwei Nebenhäusern.
Im Erdgeschoss des Haupttraktes befanden sich prächtige Gesellschaftsräume, die Bibliothek, das Verwaltungsbüro sowie das Post- und Telegrafenamt. Auf den übrigen drei Stockwerken waren die Patientenzimmer mit insgesamt 115 Betten etabliert. Im ersten Stock waren das Arzt- und das Wartezimmer sowie die Laboratorien für mikroskopische und chemische Untersuchungen untergebracht.
Mit der Falkensteiner Heilanstalt war nach 14 Jahren erstmals Brehmers Idee der Heilstättenbehandlung für Tuberkulosekranke aufgegriffen worden, und mit Dettweiler hatte man den bestmöglichen Arzt gewinnen können.
Unter Dettweilers Leitung erlangte die Falkensteiner Lungen-heilanstalt in kürzester Zeit bedeutenden internationalen Ruhm. Ärzte aus Davos in der Schweiz, sowie aus Frankreich informierten sich in Falkenstein von der Wirksamkeit der Dettweilerschen Tuberkulose-Therapie.
Kronthaler Mineralwasser ist nicht auf dem Tisch, aber mehrere Weinflaschen sind zu erkennen. Zur Therapie gehörte eine reichhaltige Ernährung, zu der anfangs auch der Genuss von Alkohol gehörte. Kognak, Wein und Champagner wurden den Patienten „verordnet“. Später schränkte Dr. Dettweiler diese „Behandlung mit Alkohol“ wieder ein.
Dettweilers Tuberkulosetherapie basierte weitgehend auf den bewährten Brehmerschen hygienisch-diätischen Behandlungsprinzipien, die auf einer reichhaltigen und fettreichen Ernährung beruhte. Die Anzahl der Mahlzeiten, die Essensmenge und die Uhrzeiten waren genauestens vorgeschrieben.
Seine strenge Disziplin in der „Zuchtanstalt“ war berühmt und berüchtigt, wurde aber von den Patienten, die vornehmlich der wohlhabenden Gesellschaftsschicht angehörten, ohne Murren akzeptiert.
7.30 - 8.30 Uhr: Erstes Frühstück
Kaffee, Tee, Schokolade oder Kakao, Milch, Brot, Backwerk, Butter und Honig.
10.00 Uhr: Zweites Frühstück
Milch oder Kraftsuppe und Butterbrot
13.00 Uhr: Mittagessen
5 - 6 Gänge sowie anschließend Kaffee
16.00 Uhr: Milch
19.00 - 20.00 Uhr: Abendessen
Suppe, warme und kalte Platte mit Salat und Kompott
21.00 Uhr: Milch
(1903)
Den Schwerpunkt bildete aber eine ausgedehnte Liegekur an gesunder frischer Luft in waldreicher Umgebung.
Die Freiluftkuren wurden bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit in offenen Liegehallen durchgeführt. Dettweiler entwickelte einen besonders komfortablen Liegestuhl, um den Patienten das lange Verharren auf dem Rücken so angenehm wie möglich zu machen.
Die Patienten mussten täglich sechs bis zehn Stunden im Freien verbringen, eingemummt in dicke Decken. Ein therapeutischer Exportschlager.
Sehr wichtig war Dettweiler die Aufklärung der Patienten über die hohe Ansteckungsgefahr der Krankheit und den richtigen Umgang mit infektiösem Material. Untersuchungen hatten gezeigt, dass die Lungentuberkulose nicht nur durch die Luft, sondern auch durch kontaminierten Staub ihre ansteckende Wirkung verbreitet.
Damit die Kranken nicht mehr auf den Boden oder in das Taschentuch spuckten, entwickelte Peter Dettweiler in den Jahren 1888/1889 seine Taschenspuckflasche, die er April 1889 auf dem 8. Kongress für Innere Medizin in Wiesbaden vorstellte.
Die Flasche wurde patentiert von der Firma Gebr. Noelle in Lüdenscheid, nachdem verschiedene andere Firmen erfolglos versucht hatten, den Spezifikationen des Doktors gerecht zu werden. Noelle war der führende Hersteller von Britannia Metall. Das Spezielle an der Flasche war, dass sie sich mit einer Hand öffnen ließ und dass sie einen inneren Trichter hatte, um Auslaufen vorzubeugen. Unten hatte sie einen zweiten Verschluss für Entleerung und Desinfizierung. Die ersten Flaschen hatten die Reichspatentnummer auf der Seite, später wurde die Unterschrift von Dr. Dettweiler verwendet. Auf dem Deckel war der Text „Geheimrath Dr. Dettweiler‘s Taschenflasche für Hustende“ zu lesen.
Die Flasche wurde sehr schnell bei allen Sanatorien in Deutschland und in der Schweiz eingeführt.
Leider konnte ich nur eine Anzeige aus Belgien finden.
Nähere Angaben zu Gebr. Noelle lassen sich hier recherchieren:
Blauer Heinrich, Liegestuhl und Fieberthermometer gehörten unabdingbar zur Ausstattung jedes Patienten.
Der großen Zahl an Tuberkulosekranken stand eine verhältnismäßig kleine Anzahl an Heilstätten gegenüber. Und die wenigen bestehenden Sanatorien waren den gehobenen Gesellschaftsklassen vorbehalten, denn nur diese konnten sich die kostspielige, mitunter 12 Wochen dauernde Behandlung leisten.
Dettweilers großes soziales Werk ist die 1892 von ihm initiierte Gründung der ersten deutschen „Volksheilstätte für unbemittelte Lungenkranke“, die sich auf dem Weg von Falkenstein nach Königstein befand und 1895 nach Ruppertshain umzog.
Heilanstalt für unbemittelte Lungenkranke zu Falkenstein 1892
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Februar 1893
Seit 1895 wird die Heilstätte im Volksmund "Hustenburg" genannt, obwohl das Gebäude seit vielen Jahrzehnten anders genutzt wird.
„In einer Volksheilstätte reicht die gute einfache Kost vollständig aus". (Dr. Karl Hess, Dettweilers Stellvertreter)
7.30 Uhr: Erstes Frühstück
Milchkaffee mit Brot, Semmel und Butter sowie ein Glas Milch
10.00 Uhr: Zweites Frühstück
Glas Milch mit Butterbrot
13.00 Uhr: Mittagessen
Suppe, Fleisch und Gemüse, ½ Flasche Bier oder 1 - 2 Gläser Wein
16.00 Uhr: Kaffee mit Butterbrot
19.00 Uhr: Abendessen
kalter Aufschnitt, Salat oder Käse mit Butter, oder Ähnliches, dazu ½ Flasche Bier oder Tee.
Patienten, die an Nachtschweiß leiden, erhalten vor dem Schlafengehen noch ein Glas Milch mit Zusatz von einigen Teelöffeln Kornbranntwein.
Den größten Teil der Baukosten für die neue Lungenheilanstalt in Ruppertshain trug die Baronin Hannah Mathilde von Rothschild.
Um die Jahrhundertwende wurden dann zahlreiche Volksheilstätten gebaut. Zu der Zeit war In Berlin die Hälfte der Todesfälle bei Erwachsenen auf Tuberkulose zurückzuführen.
In Beelitz entstand ab 1902 mit 1200 Betten die größte Volksheilstätte des Deutschen Reiches. Sie wurde nach Dettweilers therapeutischen Grundsätzen geplant und betrieben.
Diese Fotos aus Beelitz geben noch heute einen athmosphärisch authentischen Eindruck der Heilstättenkultur um 1900 in Deutschland.
Aus gesundheitlichen Gründen zog sich Dr. Peter Dettweiler 1895 von der Klinikleitung zurück, übergab das Sanatorium an seinen bisherigen Stellvertreter Dr. Karl Hess und verlegte seinen Wohnsitz nach Kronberg. Mit dem Weggang des berühmten Arztes verlor die Heilanstalt an Geltung und musste 1907 wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten geschlossen werden; sie wurde schließlich aus Furcht vor Infektionen abgerissen.
1909 eröffnete Kaiser Wilhelm II. an gleicher Stelle ein Erholungsheim für Offiziere.
Heute ist es ein Hotel der Luxusklasse.
Peter Dettweiler,
der Geheime Sanitätsrat und
erste Ehrenbürger von Falkenstein,
starb 1904 im Alter von 67 Jahren
in Kronberg am Herztod.
Die Richtlinien Dettweilers
für die Tuberkulosetherapie hatten sich über die ganze Welt verbreitet
Quelle: Dettweiler-Biografie